Vom Suez bis nach Hamburg – Mein Frachtschiff-Tagebuch Teil 2

Vom Suez bis nach Hamburg – Mein Frachtschiff-Tagebuch Teil 2

25. Januar 2020 5 Von Sabine

Die Reise neigt sich dem Ende zu, nächster Stopp: Hamburg. Vor dem Frühstück ein kurzer Besuch auf der Brücke, wir fahren gerade an der niederländischen Insel Ameland vorbei. Nach dem Frühstück nimmt uns der Erste Offizier mit aufs Deck, DER MANN ist hier noch nicht gewesen. Überall sieht man jetzt Lücken zwischen den Containern. Teilweise steht man nun unter freiem Himmel, wo man vor Kurzem noch unter Containertürmen stand. In Hamburg werden rund 4.500 Container entladen, aber etwa genau so viele kommen auch wieder aufs Schiff. 

Die Lotsen kommen eine halbe Stunde früher als geplant, und zwar sehr stilvoll auf einem Katamaran. Diese ersten beiden werden uns durch die Nordsee bzw. Deutsche Bucht geleiten. Dann geben sie ab an zwei Kollegen, die uns die Elbe hinauf führen. Und schließlich bekommen wir für den Hafen noch einmal andere Lotsen. Jetzt aber fahren wir erst einmal an Sandbänken vorbei, ein Fischerboot schaukelt heftig in unserer Bugwelle. Ein vorwitziges Segelboot in der Fahrrinne hupen die Lotsen weg. Die Verkehrsdurchsage im deutschen Funkverkehr, den wir mithören können, nennt uns als Schiff mit Sonderrechten, weil wir so groß sind. Will sagen: uns weicht man bitteschön aus, wir tun’s nämlich nicht.

  • Vor der Einfahrt nach Hamburg wird die deutsche Flagge gehisst

Einmal die Elbe sperren, bitte

Lotsenwechsel, nun sind wir offiziell auf der Elbe. Über Funk spricht jemand mit uns, nennt uns Zahlen, bekommt aber keine Antwort. Ich frage nach und lerne: für große Schiffe wie unseres gibt es eine Radarberatung. Sie gibt uns zum Beispiel durch, wie wir in der Fahrrinne positioniert sind. Wann immer uns ein Schiff entgegenkommt, winkt der zweite Lotse seinen Kollegen drüben zu. Hier auf der Elbe geht man sehr höflich  miteinander um. Die Lotsen sind am Ende sogar noch so nett, und machen von ihrem Boot aus ein Foto vom Schiff und schicken es uns – wir haben nämlich keins, auf dem die Kerguelen komplett zu sehen ist.

Die Kräne des Hafens zeichnen sich immer deutlicher ab, erst kommen wir aber noch am Airbus-Werk vorbei. Eine Maschine fliegt direkt vor uns vorbei und landet. Die Elbphilharmonie ist zu sehen, eine AIDA liegt am Fischmarkt, und weiter vor uns wird gerade ein anderes Containerschiff gedreht. Auch wir müssen gleich rückwärts einparken. Zwei Schiffe der Wasserschutzpolizei sperren kurz die Elbe, damit wir uns quer stellen können. Dann ziehen uns die Schlepper rückwärts zu unserer Parkposition am Burchardkai.

Schwerer Abschied

Diese Nacht bleiben wir noch an Bord, abends geht es in den Seemansclub „Duckdalben“. Für 1,50 Euro gibt es hier ein Bier, die Seeleute können Süßigkeiten und Snack, Kosmetika und SIM-Karten kaufen. Es wird Philippinisch und Hindi gesprochen, in Euro und Dollar gezahlt, und die Club-Katze schleicht herum. Im Obergeschoss gibt es einen außergewöhnlichen Gebetsraum. Für jede erdenkliche Religion steht hier ein Altar. Für Christen und Muslime, für Juden und Hindus, Buddhisten und Russisch-Orthodoxe.

Ein Ausblick, den ich vermissen werde

Nach einer eher schlaflosen Nacht – direkt vor den Kabinen wurde geladen – heißt es nach 28 Tagen Abschied nehmen. Vorher lassen wir uns vom Kapitän noch einen Schiffsstempel in den Pass stempeln. Ehrlich gesagt könnte ich noch weiter fahren. Die Zeit ist erstaunlich schnell vergangen und ich fand es bis zum Schluss spannend. Ich könnte ohne Probleme weiterhin stundenlang den Kränen zuschauen und noch ein paar Manöver mitmachen. Die Mannschaft war ungemein nett und auskunftsfreudig, und ich habe mich sehr wohl gefühlt an Bord. Es dauert daher auch ein paar Tage, bis mich „mein“ Schiff los lässt. Wir bleiben noch zwei Nächte in Hamburg, und egal, ob ich auf dem Michel stehe oder am Fischmarkt – mein Blick geht immer Richtung Containerhafen. Mit einem der Kapitäne bin ich nach wie vor per E-Mail in Kontakt. Und auch heute noch halte ich Ausschau nach dem Logo „unserer“ Reederei, wann immer ich einen Güterzug mit Containern oder ein Containerschiff auf dem Rhein sehe.

Dies war vielleicht meine erste Reise mit einem Containerschiff, aber sicher nicht die letzte. Den Panama-Kanal möchte ich auf diese Weise auf jeden Fall auch noch durchqueren. Und mit der etwas kleineren Variante der Containerschiffs gerne einmal den Rhein wahlweise hinauf oder herunter fahren. Denn eines ist sicher nach diesen Wochen an Bord: Ich bin mit dem Containerschiff-Virus infiziert!

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