Vom Suez bis nach Hamburg – Mein Frachtschiff-Tagebuch Teil 2

Vom Suez bis nach Hamburg – Mein Frachtschiff-Tagebuch Teil 2

25. Januar 2020 5 Von Sabine

Tag Nummer 18, morgen legen wir zum ersten Mal, seit ich an Bord gekommen bin, in einem Hafen an. Über Nacht hat der Wind zugenommen, die Kerguelen schaukelt heute leicht. Auf dem Flügel brauche ich zum ersten Mal seit Reiseantritt eine Strickjacke. Der Verkehr um uns herum nimmt zu, auch wenn nach wie vor kein Land zu sehen ist. Morgen gibt es neue Provision, was auch nötig ist. Inzwischen wurden auch die Tomaten im Salat ersetzt, nämlich durch Rote Beete. Ein Teil der Crew schrubbt heute das Kühlhaus, damit morgen frische Ware geladen werden kann. Ich freue mich nicht nur auf ein sicherlich spannendes Manöver beim Anlegen und die Tatsache, dass morgen DER MANN zusteigt. Die Seekarte verzeichnet ausdrücklich einen Warnhinweis, dass sich vor Gibraltar um diese Jahreszeit Wale aufhalten. Ich hätte absolut nichts dagegen, ein paar davon zu sehen.

Um vier Uhr in der Früh bin ich wach. Heute legen wir in Spanien an, der Hafen von Algeciras liegt direkt gegenüber von Gibraltar. Weil der Wecker ohnehin in einer halben Stunde klingeln würde, gehe ich duschen und auf die Brücke. Der Kapitän ist schon da, es ist stockfinster. Wir nähern uns Gibraltar, am Horizont sieht man Lichter, unterbrochen von der schwarzen Masse des Affenfelsens. Positionslichter anderer Schiffe mischen sich mit denen der Stadt. Für mich unverständlich, wie man in dieser Finsternis navigieren kann. 

Wir werden in unsere Parklücke in Algeciras geschoben, nebenan ein kleines Schwesterschiff

Wir melden uns zunächst beim Hafen von Gibraltar und geben durch, dass wir hier gleich vorbeifahren und nach Algeciras abbiegen wollen. Was in Seemannssprache etwas schicker klingt. Um kurz nach sechs kommt der Lotse an Bord, wenig später machen die Schlepper fest. Während hinter Gibraltar dramatisch die Sonne aufgeht, werden wir sanft an den Kai geschoben, direkt neben ein kleines Containerschiff der selben Reederei (Bild ganz oben). Ich hätte gedacht, dass wir mit einem leichten Rumms am Kai ankommen, es mal ordentlich knirscht und ein Ruck durchs Schiff geht – aber nichts da! 400 Meter Schiff lassen sich problemlos und sehr unaufgeregt einparken. Der Lotse spricht über Funk mit den Schleppern, der Kapitän über sein Funkgerät mit der Crew, die die Leinen an Land werfen und die Gangway herunterlassen muss.

Unter Kränen

Während des letzten Teils des Manövers stehen Kapitän, Lotse und Erster Offizier auf dem Flügel und nutzen den kleinen Steuerstand dort, weil sie so gleichzeitig runter auf den Kai schauen können. Der verbliebene Mann drinnen verpasst, auf die ständig aufploppenden Meldungen des Computers zu reagieren. Der beschließt daraufhin, dass offensichtlich niemand auf der Brücke ist und löst Alarm aus. Das klingt ungefähr wie eine Autoalarmanlage – nur mit Nebelhorn. 

Nach dem Frühstück stehe ich auf dem Flügel, schaue dem Ballett der Kräne zu und halte Ausschau nach DEM MANN. Einer der Kräne wechselt den Platz und fährt langsam an mir vorbei. Die Dimensionen, in denen hier gearbeitet wird, sind gewaltig. Der Kranführer wirkt winzig in seinem Führerhaus.Trotzdem höre ich später von der Crew, dass die Kräne in Algeciras zu klein sind für ein Schiff von unserer Größe. Wir mussten Wasser in die Ballasttanks pumpen, damit wir etwas tiefer im Wasser liegen und die Kräne besser arbeiten können. Es werden vor allem Container in der Mitte ausgeladen. Nachdem die Stapel über Deck abgetragen sind, nimmt der Kran die riesigen Deckplatten heraus und holt Container aus dem Frachtraum. Weil außen herum aber noch Containertürme stehen, müssen die Kranführer über diese hinweg arbeiten. Es ist ein bisschen wie Tetris in XXL.

  • Langsam fährt einer der riesigen Kräne am Schiff entlang, um seinen Platz zu wechseln ....

Wachwechsel auf der Brücke

Wenn der Kran einen Container vom Schiff hebt, lässt er ihn am Kai bis kurz über dem Boden herab. Dort werden die Twitslocks von Hand entfernt. Kein Job, den ich gerne machen würden. Die Arbeiter tragen zwar Helme – aber wenn wirklich mal ein Container abstürzt, nutzt der nicht viel. Während ich dem Treiben auf dem Kai zusehe, fährt ein Auto vor. Es ist der lokale Agent der Reederei, der an Bord kommt, um Papierkram zu erledigen. Und er bringt DEN MANN mit, der anders als ich seinen Koffer selber die Gangway hochtragen muss.

Am Abend sehe ich im Logbuch einen einzelnen Satz, dass um 13:00 Uhr das Schiff offiziell von einem Kapitän zum anderen übergeben wurde. Aber jetzt haben wir einen neuen „Master“, wie es in vielen Dokumenten hier heißt. Draußen wird weiter Ent- und Beladen. Plötzlich hebt der Kran einen kompletten Lastwagen aus dem Schiffsbauch. Die Crew erzählt mir später, dass es noch größer geht. Ganze Yachten werden schonmal im Frachtraum transportiert und am Zielhafen vom Kran direkt ins Wasser gesetzt. Dort übernimmt dann der neue Besitzer sein Boot. 

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