Maid Café

Maid Café

17. Februar 2019 2 Von Sabine

Man nehme das japanische Konzept von maximaler Niedlichkeit (kawaii) und mische es mit nicht ganz jugendfreien Männerfantasien – fertig ist das Maid Café. Hier bedienen junge Frauen in einem Kostüm, das eine Mischung aus Dienstmädchen- und Schuluniform ist. Dazu wird schräg und dafür um so lauter gesungen und reichlich Alkohol konsumiert. Anders lässt sich das für den europäischen Besucher auch nicht aushalten. Und allen Männerfantasien zum Trotz gilt dabei: nur gucken, nicht anfassen.

Es fing harmlos an. Ich spaziere abends durch die Shoppingarkaden von Nagoya, als mir ein junges Ding mit Zöpfen einen Flyer reicht. Ein Maid Café wird dort beworben. Ich habe davon gehört, aber noch keins gesehen. Am nächsten Tag überrede ich meinen Klassenkameraden Filipe, mit mir einen Blick hinein zu riskieren. Der journalistischen Recherche wegen, versteht sich. Von außen sieht man nur Schatten, denn die Fenster sind mit Sichtschutz beklebt. Eine Maid reißt die Tür auf, als wir noch etwas zweifelnd davor stehen, und schon sind wir drin. Außer uns sitzen da drei Männergrüppchen und eine gemischte Gesellschaft. Frauen sind hier klar in der Unterzahl.

Dinner mit Hasenohren

Die Maids haben inzwischen offensichtlich ausgewürfelt, wer von ihnen am meisten Englisch spricht, und eine von ihnen an unseren Tisch geschickt. Wir verbringen den weiteren Abend in einer wilden Mischung aus Babyjapanisch und gebrochenem Englisch. Als erstes bekommen wir jeder einen Haarreifen. Meiner hat Hasenohren, Filipe macht den Panda. Da alle Gäste irgendwelche pelzigen Ohren auf dem Kopf tragen (müssen), ist Protest zwecklos. Dann werden uns die Regeln erklärt. Es wird eine Tischgebühr von 500 Yen erhoben. Das ist in Japan eigentlich nur in Touristenfallen üblich. Da fühlt man sich doch gleich willkommen! Später stellen wir fest, dass es sogar 500 Yen pro Stunde sind. Jeder von uns muss außerdem mindestens ein Getränk und ein Gericht ordern. Fotos von den Maids und anderen Gästen sind verboten, knipsen dürfen wir dagegen unser Essen und den Raum, sofern keine Menschen drauf sind. Außerdem gilt, dass die Maids nicht angefasst werden dürfen.

Wir beugen uns über die Karte, kommen aber nicht dazu, das Menu zu studieren, denn das gemischte Grüppchen hat eine Flasche Champagner bestellt. Hier wird offensichtlich was gefeiert. Es braucht zwei Maids, um eine Flasche zu öffnen. Die eine brüllt mit Piepsstimme ins Mikrofon, dann lässt die andere den Korken knallen. Eines der Männergrüppchen hält dagegen und bestellt einen Song. Eine der Maids steigt daraufhin auf die Bühne und zeigt eine wenig anspruchsvolle Tanzeinlage zum Playback. Immerhin können wir nun das Kostüm mal vollständig bewundern. Pate stand wohl eine japanische Schuluniform mit Seemannskragen. Das Oberteil hat hinten eine Schnürung wie ein Korsett. Der kurze Rock wird von Petticoats in Form gehalten. Unterm kurzen Röckchen tragen die Mädels aber ein Rüschenhöschen, das bis zur Mitte der Oberschenkel geht. Dazu weiße Kniestrümpfe und flache schwarze Schuhe, ganz wie man es bei Schuluniformen sieht. Die Haare tragen sie alle in zwei Zöpfen, dazu ein Servierhäubchen.

Die Musik ist schon ohrenbetäubend, aber nun singt eine zweite Maid auch noch mit einem ganz anderen Song gegen das Playback an und teilt den Liedtext zum Mitsingen an die Gäste aus. Ich beschließe spontan, dass ich Alkohol bestellen muss, nüchtern halte ich das jetzt schon kaum noch aus. Aber bevor wir bestellen können, hat am Champagnertisch noch jemand einen Cocktail bestellt. Mit dem Coktailshaker steht eine Maid vorm Tisch, schüttelt ihn wild in der einen Hand, während sie in der anderen wieder das Mikrofon hält, in das sie einen Sprechgesang reinquietscht. Es scheint sich um eine Ansammlung von Adjektiven zu handeln, die der junge Mann, der den Cocktail bestellt hat, pantomimisch darstellen muss, bevor er seinen Drink bekommt. Cocktails streiche ich direkt mal von der Liste.

Einfach mal den Panda rauslassen

Für einen Moment singt und tanzt mal keiner, also können wir uns mit der Karte beschäftigen. Das Essen ist natürlich superniedlich. Uns wurde ein Set angepriesen, aus einem Gericht, einem Getränk, einem Haarreifen mit Tierohren nach Wahl zum Mitnehmen sowie einem Foto mit einer Maid. Das machen sie aber nicht mit der Kamera des Gastes, sondern als Polaroid. Die Mädels wollen nicht im Internet landen, so viel ist klar. Wir bestellen jeder ein niedliches Essen, Filipe einen Kartoffelschnaps, ich nehme Pflaumenwein on the rocks. Den Haarreifen lassen wir dankend aus. Um zu bestellen müssen wir, auch das wurde uns vorher erklärt, wie ein kleines bettelndes Kätzchen die Arme vor den Körper halten und nyao nyao (miau) sagen. Da ich mit dem Rücken zur Theke sitze, darf Filipe das machen. Puh!

Das Essen kommt schnell und ist wie in solchen Etablissements üblich nicht unbedingt erstklassig. Filipe hat Bärchen im Bett bestellt, eigentlich ein Omelett auf Reis, und eine der Maids dekoriert sein Essen bei uns am Tisch mit viel Kleinmädchengehabe mit einem Ketchup-Herz. Während wir essen verabschieden sich fast alle anderen Gäste, es wird etwas ruhiger im Laden. Eines der Mädels geht raus, neue Kunden anwerben. Eine andere habe ich eher schon in der Küche aushelfen sehen. Dieser Job ist ganz bestimmt nicht glamourös, hier ist eher der japanische Arbeitsethos gefragt.

Das Anwerben von Kunden läuft schleppend, einen jungen Mann ziehen sie förmlich in den Laden. Für uns ist es Zeit, die Plüschohren abzunehmen und die überbordene Rechnung zu bezahlen. Für den ausländischen Gast ist diese Erfahrung höchst befremdlich und teilweise zum Fremdschämen. Für Japaner sind solche Orte dagegen wohl kleine Fluchten aus dem von unendlich vielen Regeln bestimmten Alltagsleben. Da muss man(N) im Maid Café ab und an mal den Panda rauslassen ….