Shibori – mein blaues Wunder

Shibori – mein blaues Wunder

14. August 2018 1 Von Sabine

Man nehme einen weißen Schal, falte ihn, platziere Holzstäbchen strategisch günstig, tauche das ganze ins Blaue hinein – fertig ist das gemusterte Halstuch. In der Kurzversion jedenfalls.

Die lange Version geht so: Man suche zunächst mal das Shibori-Museum in Kyoto. Shibori ist – vereinfacht gesagt – eine sehr alte Technik, um Stoffe so zu färben, dass dabei Muster oder gleich ganze Bilder entstehen. Wobei es die Technik gar nicht gibt, sondern Dutzende verschiedene. Die laufen aber auf ein Grundprinzip hinaus: die Stellen, die man nicht gefärbt haben möchte, deckt man ab. Sei es mit Holzstäbchen, einem Holzbottich oder, für ganz feine Muster, indem man einen Faden um ein klitzekleines Eckchen Stoff wickelt. Heutzutage auch schonmal in Kombination mit einer Plastikkappe (rechts). Schwer in Worte zu fassen, aber hübsch zu sehen in dem kurzen Video auf der Website des Shibori-Museums. Wer nun denkt: Hey, das kenne ich doch aus Indien! – Ja, da kommt die Technik ursprünglich her. Über die Seidenstraße hat sie sich verbreitet und ist so vor über 1.300 Jahren bis Japan gekommen, wo sie den ein oder anderen lokalen Touch erhielt.

Man suche also das Shibori-Museum, das ein privates ist und in einem unscheinbaren Haus in einem Wohnviertel zu finden ist. Gegründet wurde es von einer Unternehmerfamilie, die früher Obis (Gürtel für Kimonos) in traditioneller Shiboritechnik hergestellt hat. Aber da Kimonos nur noch zu festlichen Anlässen getragen werden, verkaufen sich auch Obis nicht mehr so gut, und die Familie hat als zweites Standbein das Museum aufgebaut. Nun kann man sich in ihrem Museum über die traditionellen Techniken informieren, die zum Teil wohl nicht mehr lange praktiziert werden. In Kyoto gibt es zum Beispiel nur noch eine einzige alte Dame, die Hon Hitta Shibori beherrscht, die Technik, bei der ein Faden um eine winziges Stückchen Stoff gewickelt wird. Zwar gäbe es interessierte junge Damen, die es gerne lernen würden. Aber es bedarf 20 Jahre Übung, bis man die Technik in Perfektion beherrscht. Und anfangen sollte man damit idealerweise schon im Kindesalter. Das verträgt sich nicht gut mit dem heutigen Arbeitsrecht.

Blau machen

Etwas einfacher ist da das, was ich praktiziert habe. Denn Museumsbesucher sind herzlich eingeladen, Sibori ganz praktisch auszuprobieren und sich einen Schal färben. Ich entscheide mich für Blau, denn das Färben mit Indigo hat in Japan eine lange Tradition. Auch wenn ich nicht mit Indigo, sondern einem chemischen Farbstoff arbeite – der anders als Indigo wenigstens nicht meine Finger mitfärbt. Grundsätzlich sind aber verschiedene Farben und Farbkombinationen ebenso wie Muster möglich.

Betreut werde ich von Nanami, das übersetzt sich als sieben Wellen, wie sie mir verrät. Wir sprechen Englisch, den mein Babyjapanisch würde uns hier nicht weit bringen. Aufgabe Nummer 1: den Schal falten. Es sieht einfach aus, wenn man es vorgemacht bekommt. Das Ziel ist ein kompaktes Dreieck. Aber bei meinem Stoffpaket ist ein Stückchen über. Macht nix, versichert Nanami, am Ende sieht man das nicht. Und sie hat recht, am Ende sieht man es tatsächlich nicht.

Ich lege zwei Holzstäbchen quer über meinen Stoff, eines oben und eines unten. Dann kommen die Klemmen dran, die schön fest gezogen werden müssen. Bevor der Stoff nun in die fast kochende Farbe getaucht wird, legen wir das Päckchen in ein Wasserbad. So kann der Stoff noch ein bisschen aufquellen, wodurch die Holzstäbchen besser abschließen. Zwei Mal schwenke ich mein Tuch durch die Farbe, zwischendurch wird ausgewaschen. Dann löse ich die Klemmen und versetze die Holzstäbchen. Schön zu sehen ist, dass wirklich keine Farbe unter den bedeckten Bereich gelaufen ist. Auch beim zweiten Färben tauche ich den Schal zwei Mal ins Blaue hinein, zwischendurch wir mit Wasser gespült. Dann löse ich die Holzstäbchen und der große Moment ist gekommen: wir falten meinen Schal auf! Das Ergebnis ist ganz oben zu sehen, die einzelnen Arbeitsschritte ganz unten.

Handwerker statt Künstler

Während mein Schal trocknet, führt Nanami mich und ein paar andere Gäste durch das Museum. In einem eigens für die Ausstellung produzierten Film werden einige der traditionellen Techniken gezeigt. An ein paar Stoffstücken erklärt Nanami dann nochmal eine Reihe kleiner aber feiner Unterschiede zwischen den verschiedenen Arten von Shibori. Die oben schon erwähnten Plastikkappen sind dabei eines der wenigen modernen Zugeständnisse, ansonsten geht alles noch sehr traditionell zu. Bei der Variante mit dem Holzfass etwa wird dieses mit speziellem Papier abgedichtet und dann mit Seilen fest verschlossen.

Interessante Randnotiz: Nanami weist ausdrücklich darauf hin, dass die Leute, die diese alte Technik praktizieren, in ihrem Selbstverständnis keine Künstler sind, sondern Handwerker. Denn sie färben ja „nur“ die Muster in den Stoff, die sich andere – und das sind dann die Künstler – ausgedacht haben. An einem Kimono arbeitet man dabei übrigens je nach Muster  und Technik auch schonmal mehr als ein Jahr. Das so ein Prachtstück nicht ganz billig ist, kann man sich ausrechnen. Trotzdem hat Shibori nach wie vor viele Liebhaber in Japan, denn traditionelles Handwerk wird hier in Ehren gehalten.

Das Museum zeigt neben Stoffen aus aller Welt, die mit Techniken gefärbt wurden, die mit Shibori verwandt sind, auch eigens für das Museum angefertigte Shibori-Kunstwerke. Das sind zum Teil wandfüllende Bilder, an denen mehrere Personen über Monate gearbeitet haben. Ich dagegen weiß jetzt schon: mehr als das, was ich da heute gefärbt habe, ist nicht drin. Für die feineren Techniken hätte ich nicht die Geduld. Die Workshops (ca. eine Stunde) werden auch für Einzelpersonen und ohne Voranmeldung durchgeführt. Das Museum kommt zudem mit einem Shop daher, in dem vom traditionellen Kimono bis zum modernen Rucksack Shibori allen Varianten und Preisklassen zu haben ist.