Wie mein erster Schultag ins Wasser fiel

Wie mein erster Schultag ins Wasser fiel

6. Juli 2018 3 Von Sabine

Eigentlich hätte heute die Schule richtig losgehen sollen. Eigentlich. Denn wegen Starkregens wurde der Unterricht kurzfristig abgesagt. Es fing alles schon gestern an, als mein Handy mich in einer Lautstärke und mit einem Ton aus dem Schlaf riss, den ich ihm niemals erlaubt habe. Eine Warnmeldung ploppte hoch und ich dachte, hey, die Naturkatastrophen-App funktioniert. Gut zu wissen, in diesem Land bebt schließlich ab und an mal die Erde. Gewarnt wurde vor Sturm und Regen und Überflutung. Und das 10 Minuten später schon wieder. Und danach kam noch ein Warnung. Und noch eine. Und dann noch eine.

Ich war inzwischen mit den Nerven leicht am Ende und hatte der App schon verboten, Töne zu nutzen. Dann habe ich ihr Benachrichtigungen ganz untersagt. Aber der Alarm schrillte immer noch mit schöner Regelmäßigkeit. Als ich die App zu guter Letzt gelöscht hatte und es trotzdem immer noch bimmelte, war klar: es ist gar nicht die App. Nach ein bisschen Suchen in meinen Handyeinstellungen stellte ich fest, dass das Ding endlich Ruhe gab, nachdem ich Notfallhinweise generell deaktiviert hatte.

Auf diese etwas sehr lautstarke Art und Weise habe ich also gelernt, dass die japanische Regierung offensichtlich auf die Daten der Telefonanbieter zugreift, um ihre Bürger vor dem Unbill von Mutter Natur zu warnen. Grundsätzlich sehr löblich. Aber alle 10 Minuten?! Ich habe die unschuldige App wieder installiert, die besagte Hinweise der Regierung tatsächlich etwas dezenter kommuniziert. Außerdem bietet sie neben Karten auch einen Übersetzungsservice, der zwar nur mäßig ist, aber die wesentlichen Dinge kommen rüber.

So werde ich nun also seit über 24 Stunden alle 10-20 Minuten gewarnt, dass der Fluss um die Ecke über die Ufer treten kann und ich mit der Evakuierung älterer Personen beginnen soll. Ich wohne in der vierten Etage und bin erst zarte 43. Ich denke, ich muss noch nicht in die Notunterkunft in der Grundschule ziehen. Zumal meine japanischen Nachbarn auch noch da sind. Zur Sicherheit habe ich aber mal eine Tasche mit ein bisschen Kleidung, der Notfallapotheke, Wasser und meiner Taschenlampe gepackt. Das wollte ich sowieso tun, der Erdbeben wegen.

Nachdem die Schule dann heute mitteilte, dass der Unterricht ausfällt, da offensichtlich ein Teil der U-Bahnen wegen des Regens nicht fährt, habe ich den freien Tag genutzt und bin zum Fluss (er heißt übrigens Kamo) marschiert. Ja, da ist viel Wasser drin. Aber bis das zwei Straßen weiter in die vierte Etage schwappt, muss es noch ein bisschen mehr regnen. Während ich so durch die Stadt ging, hörte ich übrigens hier und da aus Handtaschen den schrillen Alarm der nächsten Warnung der Regierung. Keine Sorge, ich stelle den auch wieder ein – wenn der Regen vorbei ist.