Abgenudelt

Abgenudelt

4. Dezember 2018 4 Von Sabine

Auf einer offiziellen Liste der 100 wichtigsten japanischen Erfindungen steht auf Platz eins der Schnellzug Shinkansen, auf Platz drei der Walkman. Und dazwischen? Die Instantnudel! Sie hat den Speiseplan der Japaner nachhaltig beeinflusst, und in jedem noch so kleinen Lebensmittelladen findet man heute eine großzügige Auswahl an trockenen Nudeln im Becher. Heißes Wasser drauf, fertig! Angesichts der Bedeutung dieses Süppchens für die japanische Volksseele war ein Besuch im Cup Noodles Museum daher mehr als überfällig. Man will ja auch kulturell im Gastland ankommen.

Ja, es gibt wirklich ein Museum, das ausschließlich dem Erfinder der Instantnudel, Momofuku Ando, gewidmet ist. Das Museum steht in Osaka im Stadtteil Ikeda. Dort hat Ando einst in einem Gartenschuppen seine ersten Trockennudeln produziert. Schon im Bahnhof hängen große Wegweiser, auf denen das Maskottchen des Konzerns, eine qietschgelbes Küken, den Besuchern den Weg in die wunderbare Welt dehydrierter Lebensmittel weist. Ich überhole schnellen Schrittes gleich drei Reisegruppen, die in dieselbe Richtung wie ich marschieren. Das Museum ist mit Abstand das vollste, das ich hier bisher erlebt habe. Vor allem bei Familien ist es sehr beliebt. Die gute Nachricht: der Eintritt ist gratis.

Kulinarische Revolution im Gartenschuppen

Freundliches Personal mit Küchenschürze nimmt einen in Empfang und stattet einen mit einer Broschüre zum Museum aus. Diese liest sich bombastischer, als man es bei einem Produkt wie Instantnudeln vermuten sollte. Von der Überwindung kultureller Grenzen ist da die Rede und davon, dass das Museum den Besuchern eine Botschaft über die Bedeutung von Erfindergeist mit auf den Weg geben möchte. Nun denn, auf in die Ausstellung.

Die wird eröffnet mit einer Nachbildung des Schuppens, in dem Ando die Instantnudel erfand. Neben dem Schuppen steht sinnigerweise ein Hühnerstall mit einem ausgestopften Huhn. Die erste Instantnudel kam in der Sorte Chicken Ramen auf den Markt … Und das übrigens schon 1958. Die Broschüre weist darauf hin, dass Ando ein Jahr lang ohne Pause und mit nur vier Stunden Schlaf pro Nacht an seiner Erfindung gearbeitet hat. Das wollte ich hier nicht unerwähnt lassen. Man(n) muss Opfer bringen, wenn man es in die TOP 10 der wichtigsten Erfindungen seines Vaterlandes bringen will.

Die Ausstellung zeichnet nun nach, wie Ando trotz zahlreicher Fehlschläge unermüdlich an seiner Idee weitergearbeitet hat. Das tut sie ausschließlich auf Japanisch. Man kann sich einen englischen Audioguide leihen, aber ich habe darauf verzichtet. Die Texte in der Broschüre geben eine grobe Zusammenfassung, und der Rest wird einem in einem Zeichentrickfilm erklärt, der in einem Filmsaal in Form eines riesigen Nudelbechers mit dem Namen CUPNOODLES Drama Theater gezeigt wird. Auch der Film ist größtenteils auf Japanisch. Aber die wichtigsten Dinge bekommt man mit. Etwa, wie Ando auch die Verpackungstechnik revolutioniert hat. Weil der Haufen Trockennudeln sich beim in-den-Becher-Fallenlassen immer verkantet hat, kam dem genialen Erfinder die Idee, einfach den Becher über die Nudeln zu stülpen und dann umzudrehen. Ich habe außerdem gelernt, dass sich zwischen Nudeln und Becherboden ein Hohlraum befindet. Damit die Nudeln sich nach unten hin ausdehnen können, wenn man Wasser darüber gießt. Ich sag’s nur, bevor hier einer Mogelpackung schreit.

Wie die Nudel in den Becher kam

Aber erstmal musste der Mann die Idee zu den Nudeln im Becher haben. Denn die ersten Trockennudeln von 1958 kamen einfach in einer Plastiktüte und wurden von der japanischen Hausfrau in einer Schüssel zur Suppe gerührt. Bei einem USA-Besuch sah Ando, dass Kunden eines Supermarktes die Nudeln in Kaffeebechern anrührten. Und so ward 1971 die Idee von den Cup Noodles geboren.

Was der von Ando gegründete Nissin-Konzern seit 1958 alles an Instantnudeln produziert hat, ist entlang einer langen Wand zu sehen (Foto ganz oben). Hier reihen sich Suppentöpfchen an Suppentöpfchen, laut Broschüre sind es rund 800. Denn die Nudeln gibt es auch in regionalen bzw. landesspezifischen Varianten. Und Deutschland ist in Sachen Instantnudeln noch ein Entwicklungsland verglichen mit Asien. Die Ausstellung schließt mit dem dritten wichtigen Meilenstein in der Geschichte des Konzerns: 2005 wurde Space Ramen erfunden. Eine Instantnudelsuppe für Astronauten.

Ab in die Nudelfabrik

Jetzt wird es praktisch, denn die Besucher dürfen ihre eigene Nudelsuppe kreieren. Hierfür muss man sich dann in der Tat mal wieder anstellen. Der Mann vom Crowd Management rechnete mit einer halben Stunde. Das ist nix in Japan, also ab in die Reihe. Aus einem Automaten ziehe ich für 300 Yen (etwa 2,30 Euro) einen leeren Styroporbecher. Dann muss ich meine Hände desinfizieren und hoch und heilig versprechen 1. den Deckel während der weiteren Produktion nicht vom Becher zu nehmen, damit mein Süppchen nicht verunreinigt wird, und 2. meinen Becher innerhalb eines Monats wegzuschlürfen (in Japan darf man Suppe schlürfen – und wie!). Ich schwöre bei all meinen Brühwürfeln und darf mich der Außengestaltung meines Bechers widmen. Den muss ich jetzt erstmal bemalen. Da ich in Sachen Zeichnen eher talentfrei bin, mache ich an dieser Stelle kurzen Prozess mit meinem Behältnis.

Geduldig warte ich in der Schlange auf meinen Auftritt an der Nudeltheke. Ich händige meinen Becher der Dame am Fließband aus, die ihn über einen Batzen Nudeln stülpt (natürlich). Dann darf ich mir aus vier Geschmacksrichtungen eine aussuchen, die den Grundton meiner Suppe bestimmt. Es wird Seafood. Anschließend kann ich vier gefriergetrocknete Zutaten wählen, die in meiner Suppe schwimmen sollen. Ich nehme Garnelen, Kürbis, Frühlingszwiebel und lustige kleine Flakes in Form des Gesichts des Kükenmasskottchens, die aber sinnigerweise aus Fisch produziert werden. Nun kommt der Deckel auf meinen Topf und das gute Stück wird in Plastik eingeschweißt. Ich bekomme zusätzlich noch eine Plastiktüte ausgehändigt, die ich am Tisch nebenan mit einer Luftpumpe aufblasen kann. Nun scheint meine Suppe in der Schwerelosigkeit zu schweben. Völlig sinnfrei, aber nett.

Es folgt noch eine kleine Ausstellung zu Ando selber, die seine zahlreichen Orden zeigen, seine Ehrendoktorwürde und seine Golfschläger. Eine Multimediashow präsentiert dreisprachig Zitate des Mannes und man darf Kalligraphien bewundern, die er gemacht hat. Nett, aber ich gehen dann schonmal in den Shop. Das Küken auf Handtüchern, Waschlappen und Geschirr. Cup Noodles-Raritätenpakete mit Sorten, die nicht in jedem Supermarkt zu finden sind. Nudelbecher als Magnet, Kerze und Briefbeschwerer. Und Kekse, bei denen ich nicht weiß, ob sie süß sind oder salzig, denn sie kommen in der Nudelverpackung von 1958.

Erschlagen von so viel Innovationsgeist mache ich mich auf den Heimweg. Nicht ohne unterwegs noch in das Touristeninfozentrum abzubiegen. Denn das Maskottchen des Stadtteils Ikeda ist ein Nudelsuppe essender australischer Wombat! Man muss auch beim Stadtteilmarketing einfach mal kulturelle Grenzen überwinden.

Praktische Informationen

Wer sich selber mal ein Süppchen versalzen will, findet alle Informationen dazu auf der Website des Museum. Und für alle, die jetzt noch ganz genau wissen wollen, wie so ein Nudelbecher gefüllt wird: Details der Instantnudelproduktion findet man bei der World Instant Noodles Association (das kann man sich nicht ausdenken!).