Gunkanjima – wo James Bond den Bösewicht gestellt hat

Gunkanjima – wo James Bond den Bösewicht gestellt hat

5. Oktober 2018 0 Von Sabine

In der Bucht vor Nagasaki liegt eine Industrieruine der etwas anderen Art. Eine sich selbst überlassene Insel, unter der 84 Jahre lang Kohle abgebaut wurde. Bis zu 5.300 Menschen lebten hier einst – und ließen einen großen Teil ihrer Besitztümer einfach zurück, als das Bergwerk 1974 geschlossen wurde. Heute kann man diese bizarren Hinterlassenschaften besichtigten und dem Verfall der Gebäude zuschauen. Weltweit bekannt wurde die Insel im Jahr 2012, weil hier eine Schlüsselszene des James Bond-Films Skyfall gedreht wurde. Für mich unvergesslich ist das Eiland, weil es eines der bizarrsten Maskottchen hat, das mir in diesem an bizarren Maskottchen wahrlich nicht armen Land bisher untergekommen sind.

Der offizielle Name der Insel ist Hashima, und ursprünglich war sie nur ein Ansammlung karger Felsen. Schon 1810 wurde ein großes Kohlevorkommen darunter entdeckt, aber erst 1890, als Mitsubishi das Eiland kaufte, begann der Abbau. Um Platz für Ausrüstung und Arbeiter zu schaffen, wurde Hashima mehrfach künstliche erweitert. Dadurch hat die Insel die Form eines Kriegsschiffes bekommen (siehe oben) und ist in Japan unter dem Spitznamen Gunkanjima bekannt, was sich als Kriegsschiffs-Insel übersetzt.

Unaufhaltsamer Verfall

Blick auf die Schule, davor die Pfeiler des Kohleförderbandes

Nach der letzten von insgesamt sechs Erweiterungen misst Gunkanjima heute 63.000qm. Die Insel war zeitweise dichter bevölkert als Tokyo und verfügte über eine Schule, ein Krankenhaus, eine Gefängniszelle, einen Schrein, ein Schwimmbad, ein Kino und eine Pachinko-Spielhalle. Darüber hinaus vertrieb sich die Bevölkerung die Zeit mit einem etwas eigenwilligen Hobby: während der Taifunsaison traf man sich auf den Dächern der Hochhäuser, um sich die riesigen Wellen anzusehen, die um die Insel peitschten. Was Gunkanjima nicht hatte: Platz für Pflanzen. Daher wurden aus der Not heraus Gärten auf den Dächern der Appartementgebäude angelegt. Was heutzutage schwer zu glauben ist, denn Mutter Natur hat die Ruinen inzwischen erobert und überall sprießt und grünt es.

Um den wenigen Platz gut zu nutzen, hat Mitsubishi hier zum ersten Mal überhaupt in Japan Hochhäuser aus Stahlbeton gebaut. Auch deshalb hat die UNESCO die Insel 2005 in die Weltkulturerbeliste aufgenommen. Allerdings ist der Verfall der Gebäude inzwischen so weit fortgeschritten, dass an eine Restaurierung nicht zu denken ist. Die Insel zerfällt also weiter Stück für Stück. Weil viele Gebäude stark einsturzgefährdet sind, kann man sich leider nicht frei auf Gunkanjima bewegen. Besucher gehen auf einer vorgegebenen und vom Rest der Insel abgetrennten Route, auf der sie einen Teil der Wohngebäude und die Fundamente der Kohleverladung sehen können. Mitsubishi hat die Maschinen selber nach der Schließung der Mine demontiert. Aber die Hauptarbeit fand ohnehin unter dem Meeresspiegel statt. Bis zu 1.100 Metern tief wurde die Kohle abgebaut. Bei Temperaturen um die 30 Grad haben die Kumpel über die Jahre fast 16 Millionen Tonnen Kohle gefördert.

Eine Geisterstadt für James Bond

Weil der Kohleabbau unlukrativ wurde, hat Mitsubishi das Bergwerk im Januar 1974 geschlossen. Drei Monate später war die Insel komplett verlassen. Heute bieten die Ruinen einen bizarren Anblick. Teilweise kann man durch Löcher in den Gebäuden hindurch auf dahinter stehende Bauten schauen. Die rostigen Reste der Maschinenfundamente (links) sehen aus, als wäre eine Naturgewalt über die Insel gefegt, und hätte sie zerstört. Treppen führen ins Nichts. Das Meerwasser sucht sich Wege durch zerbrochene Mauern. Greifvögel kreisen über der Insel, die ihnen inzwischen reiche Jagdgründe bietet. Das ideale Versteck also für einen Bösewicht, den James Bond in Skyfall auf dieser Insel aufstöberte. Interessanterweise gab es während der Führung keinen einzigen Hinweis auf den Film. Aber 90 Prozent der Gäste waren ohnehin Japaner, die sich für die industrielle Vergangenheit ihres Landes interessieren.

Als die Bewohner die Insel verließen, blieben in den Häusern Kleidung, Bücher, Telefone, Fernseher und Möbel zurück. Einen Teil dieser Dinge kann man im Gunkanjima Digital Museum besichtigen, dass einem auch Blicke in die nicht zugänglichen Bereiche der Insel ermöglicht. Eine ausführliche Präsentation erzählt die Geschichte der Insel, und mit Hilfe von 3D-Brillen kann man dann durch die Straßen der Geisterstadt wandeln. Viele ehemalige Bewohner haben dem Museum zudem Fotos zur Verfügung gestellt und ermöglichen so einen Einblick in das Leben auf diesem dicht bevölkerten Raum.

Trommelwirbel! Tusch! Auftritt: das Maskottchen!

In Japan haben Firmen, Städte, Regionen und Touristenattraktionen ein Maskottchen. Also auch Gunkanjima. Es braucht ein bisschen, um zu erkennen, was man sieht. Das Maskottchen soll nämlich das Kohlevorkommen darstellen, über dem die Insel gebaut wurde. Es taucht nicht nur auf Werbematerialien und animierten Kurzfilmen auf. Nein, es gibt Menschen, die müssen in ein Ganzkörperkostüm im Insellook schlüpfen und für Fotos posieren! Als wir nach der Tour wieder in Nagasaki ankamen, hüpfte dieser arme Mensch im unförmigen Kohleanzug am Pier auf und ab.

Praktische Informationen

Es gibt verschiedene Touranbieter für die Fahrt zur Insel, einige weisen auf ihrer Website aber direkt darauf hin, dass sie ausschließlich japanische Informationen anbieten. Ich habe mich für eine Tour mit The Gunkanjima Concierge Company entschieden, die zugleich das oben erwähnte und erst in diesem Jahr eröffnete Museum betreibt, das man aber auch unabhängig von einer Tour besuchen kann. Für den Besuch auf die Insel gibt es englischsprachige Audioguides, die nicht immer synchron zur live vorgetragenen japanische Präsentation waren, aber dennoch sehr informativ. Es gibt zudem während der Fahrt noch ausführliche Informationen zum Hafen und der Mitsubishi-Werft, an der das Schiff vorbei kommt. Serviceorientiert wie die Japaner sind, dreht sich das Schiff vor dem Landgang noch vor der Insel, so dass alle Passagiere das Eiland fotografieren können. Unsere Tour war komplett ausgebucht, daher besser vorher reservieren. Das geht online und mit einer deutschen Kreditkarte problemlos.