Byebye, Barbie!
Was macht man in Japan mit einer ausrangierten Puppe? Ganz bestimmt nicht wegschmeißen, denn im Shintoismus glaubt man daran, dass auch unbelebte Dinge einen Geist oder eine Seele haben können. Vor allem, wenn sie menschliche Form haben und ihre Besitzer über Jahre oder gar Jahrzehnte begleitet haben. Daher werden alte Puppen in Kyoto in den Hōkyō-ji Tempel gebracht. Hier wird in einer offiziellen Zeremonie Abschied von den Puppen genommen, bevor sie verbrannt und auf dem Tempelgelände beigesetzt werden.
Zum Tempel, der nur sehr selten seine Pforten für Publikum öffnet, gehört einen Nonnenkloster. In früheren Zeiten wurde hier das Amt der Äbtissin traditionell von einer kaiserlichen Prinzessin ausgeübt. Die Kaiser haben ihren Töchtern regelmäßig Puppen geschickt, etwa wenn besondere Ereignisse anstanden. Das ist ein bisschen so wie heute Sammelteller oder Sondermünzen. Viele dieser Puppen werden immer noch als Teil des Tempelschatzes im Hōkyō-ji aufbewahrt, der daher auch als Puppentempel bekannt ist.
Die Zeremonie, in der man würdigen Abschied von seiner Puppe nehmen kann, findet am späten Sonntagvormittag statt. Der kleine Tempelinnenhof ist gut gefüllt. Die Puppen sind in langen Reihen aufgestellt. Es sind vor allem traditionelle Puppen, die eher als Dekoration und weniger zum Spielen dienen, zwischen denen sich einzelne Plüschtiere finden. Neben den Nonnen nehmen an der Zeremonie auch zwei meiko, das sind Geishas in der Ausbildung, sowie zwei als kaiserliche Prinzessinnen verkleidete Damen teil (unten), die an die lange Verbindung des Tempels mit dem Kaiserhof erinnern sollen.
Es wird Weihrauch verbrannt, und zum Klang traditioneller Instrumente singen die Nonnen längere Zeit einen dieser typischen monotonen buddhistischen Tempelgesänge. Die meiko ebenso wie die Prinzessinnen legen am Puppengrab, das prominent im Innenhof liegt, Blumen ab. Danach verlagert sich die Zeremonie nach innen. Zuvor erweisen meiko, Prinzessinnen und Geistliche den Puppen mit einer Verbeugung die letzte Ehre (großes Bild).
Es gibt einen Stau an der Tür, denn alle Besucher müssen vor dem Betreten des Tempels die Schuhe ausziehen. Drinnen angekommen, spielt zunächst ein Priester auf einer Bambusflöte. Danach führen die meiko zwei Tänze auf. Als ich danach wieder nach draußen komme, sind die aufgereihten Puppen bereits eingesammelt und zur Verbrennung in den Tempel gebracht worden. Die Asche wird später im Grab beigesetzt. Die vor allem älteren Damen, die ihre Puppen hierher gebracht haben, sehen zufrieden aus nach diesem würdevollen Abschied.