Kyoto Sightseeing: Filmset mit Samurai und Nippon Nessie
Eine gute halbe Stunde außerhalb des Stadtzentrums von Kyoto liegt eines der ältesten Filmstudios Japans. Seit 1926 werden im Toei Studio Filme produziert. Und zwar vor allem solche, die im alten Edo spielen. Ein ganzes Stadtviertel im Look der Jahre ab 1603 steht als Kulisse auf dem Gelände. Und besuchen kann es jeder, denn das Studio ist gleichzeitig ein Freizeitpark. Logisch, dass ich das sehen wollte.
Vom alten Edo ist in der Eingangshalle erst einmal wenig zu spüren. Im Erdgeschoss ein Souvenirshop (Hello Kitty! im Ninja-Outfit!), ein riesiges Restaurant und eine interessante digitale Fotowand. Hier kann man seine liebsten Charaktere aus japanischen Zeichentrickfilmen auswählen, die dann lebensgroß zu sehen sind. Auf dem Monitor daneben wird runter gezählt: genau 60 Sekunden bleiben einem, sich hier fürs Selfie in Pose zu werfen. Dann darf der Nächste ran. Im Obergeschoss der Eingangshalle ein Kinderspielparadies und ein digitales Tiefseeaquarium. Alle Fische sind animiert. Mir reicht der Werbeclip draußen, wer rein will, muss zusätzlich zum Parkeintritt noch eine Extragebühr zahlen. Und das nicht nur hier.
Wo bitte geht’s ins alte Edo?
Schnell raus ins Freie. Bevor wir endlich in den berühmten Kulissen landen, müssen wir noch an ein paar Cafés und Restaurants vorbei. Dann endlich stehen wir im alten Tokyo, das damals Edo hieß. Mehrere Straßenzüge alter Häuser stehen auf dem Gelände. Die meisten Gebäude sind allerdings geschlossen, es ist streckenweise menschenleer, was man vom Rest des Parks nicht behaupten kann. Da, wo man doch mal einen Blick in die Häuser werfen kann, ist alles etwas runtergekommen. Der Übergang zum nächsten Souvenirshop ist nicht selten fließend. Ich bin ehrlich gesagt ziemlich enttäuscht. Laut Website des Studios werden hier immer noch 200 Filme im Jahr gedreht, da sollte das hier besser aussehen. Auch wenn die Zahl der großen Kinoproduktionen – das Studio hat sich vor allem mit Samurai-Filmen einen Namen gemacht – immer weiter zurück geht. Heute dreht man hier vor allem Filme und Serien fürs Fernsehen.
Mein Klassenkamerad Filipe und ich machen uns auf zum Schwertkampf der Samurai (großes Bild oben), der mehrmals am Tag stattfindet. Die Mitarbeiter des Parks werden alle als Schauspieler bezeichnet, und diese drei Akteure legen zu Musikbegleitung eine durchchoreografierte Show hin, in der zwei von drei Teilnehmern am Ende dramatisch zur Boden sinken. Das Publikum ist überwiegend minderjährig, und die ersten Kleinkinder fangen an zu heulen, kaum dass es los geht.
Dann dürfen drei Zuschauer aus dem Publikum in den Ring treten. Die Samurai suchen gezielt Kinder aus, aber eine ältere Dame hängt schon halb überm Zaun. Die will wirklich mitmachen! Sehr unjapanisch drängt sich sich zu den drei Kindern auf die Bühne. Jeder bekommt ein Schwert und darf – nach genauen Vorgaben – einen Samurai niederstrecken. Vorher wird für die stolzen Muttis noch mit Blick in die jeweilige Kamera posiert. Serviceorientiert sind sie, die Japaner.
Nessis japanische Cousine
Kaum haben die Samurai ihre Schwerter wieder eingesteckt, geht gegenüber eine kleine Parade los. Eine Kurtisane der Edo-Zeit dreht auf 20 Zentimeter hohen Sandalen und prächtig geschmückt mit ihrer Dienerschaft eine kleine Runde durchs alte Edo. Hier gilt wie im ganzen Park: die Kostüme sind meist nicht schlecht, aber unter den Perücken schaut oft das eigene Haar hervor. Manch ein Samurai trägt gar seine modernen Schuhe zum antiken Outfit.
Inzwischen ist es Mittagszeit, und vor allen Restaurants stehen lange Schlangen. Die Japaner finden es vollkommen normal, fürs Essen anzustehen. Sie bleiben aber auch nur so lange sitzen, bis der Teller leer ist. Andere wollen schließlich auch einen Platz. Eine knappe Stunde warten wir auf unseren. Reichlich Zeit, die Karte des Parks zu studieren und festzustellen: in diesem Teil haben wir alles gesehen, nur die Aufführung im Theater steht noch aus. Die heben wir uns für den Schluss auf, nach dem Essen gehen wir erst einmal raus aus den Kulissen und rein in den zweiten Teil des Parks, der mit zahlreichen Attraktionen aufwartet. Die alle extra bezahlt werden wollen. Kostenlos dürfen wir auf dem Weg dahin zusehen, wie sich aus einem kleinen Teich plötzlich ein Seeungeheuer erhebt (ganz unten). Nessies japanische Cousine ist nicht unbedingt eine Glanzleistung der Animation. Aber angeblich kann das Becken, in dem das Biest rumlungert, auf Knopfdruck in eine aufgewühlte See verwandelt werden.
Kampf der Ninja
Die so genannten Attraktionen sind entweder für Kinder oder vor allem digitaler Natur. Uns macht nur wenig an. Filipe überredet mich, ins Geisterhaus zu gehen. Das ist für Kinder ab drei Jahren, so schlimm kann es also nicht sein, denke ich. Ich sage mal so: wäre ich drei, wäre jetzt eine frühkindliche Psychotherapie angesagt, nach all den blutigen Leichen, Zombiepuppen und Kerkerszenen. Jetzt darf ich was aussuchen und nehme den Irrgarten. Der ist nicht schlecht und spielt mit optischen Täuschungen. Schräge Fußböden, Spiegelkabinett und ein Labyrinth aus Räumen mit psychodelischen Tapeten.
Damit haben wir es dann auch gesehen. Die anderen Attraktionen finden wir wenig attraktiv. Weder wollen wir im Kostümverleih die Kleidung wechseln, noch im Trick Art Museum Selfies knipsen, bis der Akku raucht. Die geführten Touren durch den Park gibt es nur auf Japanisch. Das Ninja Haus könnte noch was sein, aber die Schlange davor geht einmal um den Block. Filipe versucht sich noch mit mäßigem Erfolg im Bogenschießen, die Hüpfburg daneben lassen wir aus. Ebenso die Chance, mit stumpfen Schwertern auf Holzpuppen einzuschlagen. Ein kurzes Gang durchs Filmmuseum, das die Arbeit des Studios zusammenfasst. Das tut es aber auch fast nur auf Japanisch.
Unser letztes Highlight des Tages: die Ninja Show! Das Theater ist außen Edo-Style, innen kommt dann aber doch moderne Projektionstechnik zum Einsatz. Eine Hand voll Schauspieler führt eine Kampfszene nach der anderen auf. Selbst mit meinem Babyjapanisch kann ich erkennen, dass die Story dazwischen nur ein Alibi ist, um aufeinander einzudreschen. Zwischendurch geht das Licht an, die Schauspieler, die sich eben noch an die Gurgel gingen, plaudern entspannt mit den Gästen. Licht aus, weiterkämpfen! So bizarr, so normal in diesem Land. Wir gehen mit gemischten Gefühlen nach Hause. Der Park selber war nix. Aber wir haben mal wieder interessante Einblicke in die japanische Volksseele bekommen.
Praktische Informationen
Der Eintritt ist mit aktuell 2.200 Yen (etwa 17 Euro) vergleichsweise günstig für einen Filmpark. Die Attraktionen kosten aber alle nochmal 500 Yen (nicht ganz 4 Euro) extra (optional 4er.Karte für 1.600 Yen). Wenn gerade ein Film gedreht wird, sind Teile des Parks unter Umständen nicht zugänglich. Ausführliche Anreiseinfos auf der Website des Parks.
…aber ein Verkleidungsfoto haette doch sein muessen ! Wo ist Deine Kinderseele geblieben ??
Voradventsgruss aus Berlin !
Gestern schon den ersten Gluehwein getrunken bei plus 1 Grad…
Es ist viel zu kalt, um barfuß Zehensandalen zu tragen!! Wir haben hier nur noch 15 Grad! Plus, versteht sich. Ist auch besser so, denn es gibt hier keinen Glühwein.