Karakami – mit sanftem Druck
In Kyoto werden alte Künste noch in Ehren gehalten und täglich praktiziert. Dazu gehört auch Karakami, eine etwa 1.000 Jahre alte Technik, um Papier zu bedrucken. Die großen Bögen werden als Tapete oder zum Bespannen der traditionellen japanischen Papierschiebetüren genutzt. Aber auch wer keine Haus in Kyoto sein Eigen nennt, darf mal hinter die Kulissen des Druckprozesses schauen und sich auch gleich selber daran versuchen.
Die Werkstatt befindet sich mitten in einem Wohnviertel, ist modern und nur eine kleine Zweigstelle des weiter außerhalb liegenden Hauptsitzes der Firma. Doch die Technik und vor allem die Druckplatten sind alt. Aus Zedernholz wurden die Muster geschnitten, und sie können schnell mal 150 Jahre oder älter sein. Moderne Druckblöcke gibt es nicht, hier werden nur Klassiker zu Papier gebracht. Es sind vor allem Wellen und florale Motive, wie ich im Musterbuch sehen kann, das schon ein bisschen in die Jahre gekommen ist, was aber seinen Charme ausmacht. Die Werkstatt riecht nach einer wunderbaren Mischung aus Holz und Papier. Genutzt wird hier vor allem Washi Papier, das aus Baumrinde hergestellt wird und damit besonders reißfest ist. Die Farbe wird bis heute nach traditionellem Rezept angerührt. Dazu gehört unter anderem auch eine Alge als Bindemittel, die vorher zu einer zähen Paste ausgekocht werden muss.
Aller bunten Dinge sind zwei
Ich habe mich zu einem einstündigen Workshop angemeldet, bei dem man drei verschiedene Muster auf kleine Papierbögen drucken und dem Profi bei der Arbeit an einem großen Bogen zusehen darf. Die Technik funktioniert wie umgedrehtes Stempeln. Die Farbe wird mit einem auf einem Holzrahmen befestigten Stück Stoff auf den Block aufgetupft. Dann wird das Papier auf den Holzblock gedrückt, nicht umgekehrt. Mit sanftem Druck streiche ich über den Bogen. Dann kommt die Herausforderung: eine zweiter Farbauftrag. Ich hebe eine Seite des Papiers hoch, trage frische Farbe auf den Block auf und drücke mein Papier erneut darauf. Dann die andere Seite. So weit, so gut und einfach. Denn ich drucke den Block nur ein einziges Mal auf den Bogen. Jetzt zeigt der Meister, wie man das bei einem meterlangen Stück Papier macht.
Die Holzblöcke sind so geschnitten, dass das Muster an jeder der vier Seiten automatisch anschließt. Will sagen: wenn am unteren Rand des Blocks zum Beispiel eine Blütenranke mittendrin abgeschnitten ist, findet sich die andere Hälfte am oberen Rand des Blocks und schließt – richtig gedruckt – nahtlos an. So kann man mehrere Meter am Stück drucken. Allerdings hat jeder Block eine andere Größe. Vor dem Druck muss also gemessen werden. Kleine, mit einer Nadel gestochene Löcher am Rand des Papiers zeigen an, wo es angelegt werden muss. Der Meister druckt in schneller Folge. Es dauert vielleicht eine Viertelstunde, dann hat er zwei Meter Papier fertig. Die Farbe sieht zunächst sehr kräftig und nach einem Aubergine-Ton aus. Aber als sie trocknet, wird sie heller und zu einem zarten Silber.
Gedruckt werden die großen Bögen nur auf Bestellung. Wer möchte, kann dann auch gleich noch Blattgold auf die feuchte Farbe streuen lassen und so ein noch edleres Ergebnis erzielen. Im Laden dagegen gibt es auch ein paar modernere Produkte, die sich eher an Touristen richten. Karakami-Notizbücher und -Postkarten zum Beispiel. Oder kleine Stempelblöcke für den Hausgebrauch. Und so gehe ich am Ende nicht nur mit meinen drei Bögen selbst bedrucktem Papier nach Hause. Ich nennen nun auch ein kleines Stempelchen mit klassischem Goldfisch-Motiv mein Eigen.