Kobe mit Eisbär, Sherlock Holmes und deutschem Mauerbau
Kobe ist berühmt für sein Rindfleisch und leider auch für das große Erdbeben von 1995. Ziemlich bekannt ist zudem das Viertel Kitano am Fuße des Bergs Rokko, in dem zahlreiche Häuser ausländischer Kaufleute aus dem späten 19ten Jahrhundert stehen. Die bieten heute einen wilden Mix aus historischem Museum und abgedrehtem Verkleidungsspaß, weswegen sie bei den Japanern äußerst beliebt sind.
Ganz kurz ein kleines bisschen (Vor-)Geschichte: 1868 wurde der Hafen von Kobe für den Handel mit dem Ausland geöffnet. 15 Jahre zuvor hatten die Amerikaner mit einer militärischen Übermacht die über 200 Jahre dauernde Abschottung Japans vom Westen beendet. Bis dahin durften lediglich die Niederländer einen Handelsposten auf der vor Nagasaki künstlich angelegten Insel Dejima betreiben, wobei es den Holländern streng untersagt war, diese Insel zu verlassen. Nach dem Ende des niederländischen Handelsmonopols strömten nun Händler und Diplomaten aus allen Nationen ins Land. Sie bauten Häuser im westlichen Stil und brachten Möbel, Kunst und Kleidung aus der Heimat mit. Damals wie heute eine faszinierende Sache für die Japaner. Mehr als ein Dutzend der alten Häuser steht heute noch in Kobe und kann – gegen ein kleines Eintrittsgeld – besichtigt werden.
Ein Stück Rheinland in Japan
Vom Bahnhof aus läuft man etwas eine Viertelstunde nach Kitano. Das letzte Stück geht es ordentlich bergauf. Dafür kann man wenig später über Stadt und Hafen schauen. Der Zufall führt mich als erstes zu einem roten Backsteinhaus mit Wetterhahn auf dem Dach. Der hat dem Haus seinen Namen gegeben, denn es ist heute als Weathercock House bekannt. Über dem Eingang prangt ein Schild mit dem Wort Rhenania – hier hat jemand in der Fremde wohl das Rheinland vermisst.
Das Haus war in der Tat das Heim der deutschen Familie Thomas, und gilt heute als das beliebteste der Ausländerhäuser in Kobe. 300.000 Besucher sollen jedes Jahrhier vorbei schauen. Der Wetterhahn ist zugleich zum Logo des Stadtteils geworden. Im Innern ist alles sehr gediegen, die Einrichtung zeigt, wie die Bewohner hier lebten. Zunächst geht es passenderweise in den Empfangsraum für Gäste. Von dort aus führt der Rundgang ins Wohnzimmer, dessen Wandvertäfelung an eine Schlossmauer erinnert. Im oberen Stockwerk besichtigt man unter anderem den Frühstücksraum, der einen Blick über den Hafen bietet. Die Tochter des Hauses hatte daneben ihr Zimmer. Zurück im Erdgeschoss biegt man kurz vor dem Ausgang noch in das Arbeitszimmer des Hausherrn ab, der das Geld für dieses repräsentative Heim als Kaufmann verdient hat.
Direkt nebenan steht das Moegi Haus, die frühere Residenz des amerikanischen Konsuls in Kobe. Auch hier zeigt die Ausstattung das Leben der früheren Bewohner. Und so kann man einen Blick ins Badezimmer des Konsuls werfen und durch sein Schlafzimmer spazieren, in dem Dank seiner Größe auch gleich das Frühstück serviert wurde. Von der Veranda aus kann man noch einmal den Blick über Kobe genießen und ein bisschen neidisch sein auf die Leute, die hier wohnen durften.
Ein Eisbär in Japan
So gediegen und museal, wie in diesen beiden Residenzen, geht es nicht in allen Häusern zu. Ich stehe vor dem früheren niederländischen Konsulat, und schaue mir auf den draußen hängen Fotos an, was es drinnen so gibt. Hier kann man sich als Niederländer verkleiden, mit Frau Antje-Mützchen und Holzschuhen. Diese Gelegenheit lasse ich dankend aus. Auch das Geld für das dänische Haus spare ich mir, das heute ein Wikingermuseum ist. Das Wiener Haus verkauft Glühwein und mikroskopisch kleine Stücke Sachertorte zu nicht ganz so kleinen Preisen.
Ich gönne mir dafür den Eintritt für Ben’s House, das Haus eines britischen Adeligen namens Ben Allison. Er war passionierter Jäger, und das kleine Haus ist voll mit ausgestopften Tieren. Dazu gehören ein Eisbär, ein Tiger und ein mächtiger Bisonkopf. Zwischen Kasse und Eingang entdecke ich an der Mauer um das Grundstück ein Schild, das darauf hinweist, dass die Ziegelsteine für diese Mauer im 19. Jahrhundert aus Deutschland importiert wurden. Mit Mauerbau kennen wir uns eben aus …
Bei Sherlock Holmes daheim
Weiter geht es durchs Viertel. Im Haus der russischen Händler ist heute ein Teehaus. Aus dem französischen Haus wurde ein Kunstmuseum, das ehemalige chinesische Konsulat beherbergt eine Ausstellung mit chinesischer Keramik. Ich gebe mir noch das englische Haus, denn das ist ganz dem englischen Meisterdetektiv Sherlock Holmes gewidmet. Neben dem Eingang steht eine Garderobe, von der man sich einen karierten Hut und Umhang nehmen und sich wie der Meister persönlich kleiden kann. Muss ich erwähnen, dass Japaner das selbstredend tun?
Das Erdgeschoss des Hauses verwandelt sich abends in einen englischen Pub. Im oberen Stockwerk findet man die Herren Holmes und Watson als Puppen in einem Arbeitszimmer, das dringend mal aufgeräumt werden müsste. Vitrinen mit Holmes-Devotionalien und der Blick in ein zeitgenössisches Schlafzimmer runden die ehrlich gesagt etwas spärliche Ausstellung ab. Im Garten gibt es noch einen Fotospot, der vorgibt, die Londoner U-Bahn zu sein. Genauer gesagt: die Station Baker Street. Im Baum daneben liegt auf einem Ast die Pappversion der Grinsekatze aus Alice im Wunderland. Da hat wohl jemand ein paar englische Klassiker durcheinander gebracht. Mr. Holmes, übernehmen Sie!
Had je ooit op de pier in Scheveningen al zo’n foto in Nederlandse klederdracht gemaakt?
Nee, hoor, en het hoeft nu ook niet meer.