Einbürgerung

Einbürgerung

3. Juli 2018 2 Von Sabine

Wie wird man Bürger auf Zeit in einem Land, dessen Sprache man bisher nur im Promillebereich beherrscht, während die beteiligten japanischen Beamten ungefähr ähnlich viel Englisch können? Mit Händen und Füßen, vielen Verbeugungen, ein paar Lehnwörtern aus anderen Sprachen und der Hilfe von heimgekehrten Exiljapanern.

Die Schlange an der Passkontrolle am Flughafen in Osaka ist lang. Sehr lang. Fast eine Stunde stehe ich an und habe hinreichend Zeit, über die farbliche Gestaltung der Arbeitsplätze japanischer Passkontrolleure zu sinnieren. Denn die Schalter sind alle in einem lieblichen Rosa gestrichen. Fehlen eigentlich nur noch Hello Kitty-Aufkleber. Ob das Farbkonzept angesichts der Wartezeit deeskalierend wirken soll?

Die Freude, endlich an der Spitze der Schlange angelangt zu sein, währt nur kurz. Der junge Mann hinterm Schalter schaut erschrocken auf mein Langzeitvisum und den Antrag auf Arbeitserlaubnis, den ich als Studentin gleich hier am Flughafen stellen darf. Es folgt ein Telefonat, eine ausgiebige und für mich vollkommen unverständliche Erklärung auf Japanisch, eine angedeutete Verbeugung – und dann begleitet mich eine herbeieilende Dame zu einem anderen Schalter. Wohlgemerkt, an das Ende der dortigen Schlange. Fünfzehn gestempelte Pässe später bin ich ein zweites Mal dran und verstehe, was das Problem war. Nicht an jedem Schalter steht ein Drucker, mit dem die Residence Card produziert werden kann, die schon hier am Flughafen ausgestellt und für die nächsten 12 Monate mein Personalausweis sein wird.

In meinen Pass kommt der obligatorische Einreisestempel und noch ein Aufkleber, zu dem eine lange Erklärung folgt. Ich verstehe nur ein Wort: Arubaito. Ein Wort, das sich vom deutschen „Arbeit“ ableitet, und mit dem im Japanischen ein Nebenjob bezeichnet wird. Das ist dann wohl meine Arbeitserlaubnis. Theoretisch darf ich nun 28 Stunden pro Woche arbeiten gehen. Ob ich das praktisch auch tun werde, weiß ich noch nicht. Aber was man hat, das hat man. Und ich habe nun die Lizenz zum Jobben. Zusammen mit meinem Pass bekomme ich dann noch ein immerhin zweisprachiges Zettelchen, das mich darauf hinweist, dass ich mich innerhalb von 14 Tagen bei der Stadt zu melden und dort meine Residence Card zu registrieren habe.

Zwei Tage später mache ich mich pflichtschuldig auf zum Rathaus hier in Kyoto. Teile des Übersichtsplans im Eingangsbereich sind immerhin zweisprachig beschriftet, und so finde ich heraus, dass ich in die dritte Etage muss. Kaum steige ich dort aus dem Fahrstuhl, eilt eine Japanerin auf mich zu. Die ist, wie ich weniger später feststellen kann, eine von mehreren Betreuerinnen des Wartebereichs. Die Damen sorgen dafür, dass die Leute die richtigen Formulare ausfüllen, helfen älteren Menschen und rufen die angezeigten Wartenummern zur Sicherheit nochmal aus. Und sie nehmen sich der Ausländer an.

Ich bekomme ein Formular zum Ausfüllen, das ausschließlich auf Japanisch gehalten ist. Aber seien wir fair, die deutsche Bürokratie ist auch eher selten zweisprachig. Immerhin beherrscht die Dame die wichtigsten Worte auf Englisch, denn außer den Schriftzeichen für Name und Datum kann ich nichts lesen. Gemeinsam füllen wir mein Formular aus, dann bringt sie mich persönlich an einen Schalter. Hier wird meine japanische Adresse auf die Residence Card gedruckt und ich werde ordentlich im System eingebucht. Das war der leichte Teil, denn jetzt gilt es, in die japanische Krankenversicherung einzutreten. Ich verstehe immerhin, dass ich dazu an Schalter 35 vorzusprechen haben.

Die ganze Etage ist ein einziges Großraumbüro, das an einer Seite von einer Reihe Schreibtische abgegrenzt wird, an denen der Publikumsverkehr abgewickelt wird. Privatsphäre gibt es nicht wirklich. Die Mitarbeiter pendeln zwischen Antragsannahme und ihren Arbeitsplätzen in den Tiefen des Raums hin und her. Ich ziehe eine Nummer und setzte mich vor Schalter 35 in den Wartebereich. Erschrockene Blicke auf der anderen Seite. Wer muss gleich die Ausländerin abfertigen?

Meine Nummer ist dran, es hat einen netten Herrn getroffen. Aufbauend auf meinem schon ausgefüllten Formular füllt er das nächste aus. Dann schiebt er es mir rüber. Ich verstehe nicht viel, aber das: spellu checku. Aha, spell check, ich soll meinen Namen auf die richtige Schreibweise prüfen. Wir einigen uns darauf, dass ich so heiße, wie es im Formular steht, und er eilt davon, um meine Daten in den Computer zu übertragen. Wenig später steht er wieder vor mir. Mein Name ist zu lang. Das System lässt nur 16 Zeichen zu, was für japanische Namen mehr als ausreichend ist, denn sie werden in Schriftzeichen geschrieben. Ich soll ihm sagen, auf welchen Teil meines Namens ich gut verzichten kann. Ich trenne mich von meinem zweiten Vornamen, den ich ohnehin nur der guten Ordnung halber aufgeführt habe, denn er steht schließlich im Pass und deswegen auf dem Visum.

Kurze Zeit später bin ich glückliches Mitglied der japanischen Krankenversicherung. Und auf mich prasselt eine Erklärung ein, von der ich nichtmal einzelne Worte verstehe. Auftritt: der aus den USA heimgekehrte Exiljapaner. Der steht hier auch an, und mangels Privatsphäre (s. o.) kriegt er mit, wie mein Sachbearbeiter und ich aneinander vorbei reden. Kurzerhand übersetzt er für mich und erklärt mir, dass ich demnächst per Post die Rechnung für meine Krankenversicherung bekomme. Den dort aufgeführten Monatsbeitrag kann ich ganz einfach im Supermarkt bezahlen (wo ich auch meine Stromrechnung begleiche). Nur die Summe scheint ihm unglaublich, und er fragt drei Mal nach. Für schlappe 2.100 Yen im Monat (nach heutigem Kurs 16,30 Euro) bin ich versichert. Denn bei der Beitragsberechnung wird das Einkommen des letzten Jahres zugrunde gelegt. Also, Einkommen IN JAPAN. Und da ich im letzten Jahr kein Einkommen in Japan hatte, bin ich nun so günstig krankenversichert wie noch nie.

Der Exiljapaner lädt mich anschließend noch zum Mittagessen ein und entpuppt sich als Millionär, der gerade die zweite Scheidung abschließt. Dummerweise habe ich da schon meinen Boyfriend in Germany erwähnt und damit meine Chancen auf ein Leben als Millionärsgattin Nummer drei ruiniert. Heißt dann wohl: irgendwann ruft die Arubaito wieder …